Hier findet ihr ein Info-Paper zum Thema Kinder mit ADHS in der Schule – Es kann z.B. im therapeutischen Kontext eingesetzt werden oder in der Beratung in der Schule.
Leseauszug aus meinem Ratgeber „Ein Kopf voll Gold“
AD(H)S ist die Abkürzung für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Die Kernmerkmale setzen sich zusammen aus einer Aufmerksamkeitsstörung (z.B. erhöhte Ablenkbarkeit), einer Hyperaktivität (z.B. motorische Unruhe und starker Bewegungsdrang) und einer Impulsivität (z. B. erhöhte Reizbarkeit). Die Ursachen begründen sich in nachweislich veränderten Gehirnstrukturen und einer veränderten Entwicklung bestimmter Gehirnareale. Auch ein Ungleichgewicht der Botenstoffe (Neurotransmitter) Dopamin und Neoadrenalin wird oft als Ursache genannt.
„Moment mal, ADHS oder ADS? – Wie ist das denn jetzt mit dem ‚H‘?“
Im Laufe der Zeit hatte AD(H)S die unterschiedlichsten Bezeichnungen. Mittlerweile ist der Begriff der AD(H)S etabliert, wird aber häufig noch in die zwei Ausprägungen ADHS und ADS unterschieden. Das „H“ steht dabei für die Zuschreibung einer „Hyperaktivität“. Einer ADHS werden dabei die vorrangig hyperaktiven und impulsiven Merkmale zugeordnet, während der ADS-Typ sich in erster Linie durch die Anzeichen von Unaufmerksamkeit auszeichnet.
In einem zeitgemäßen Verständnis einer AD(H)S ist diese Unterscheidung so nicht mehr haltbar. Erstmals wurde in Amerika 1994 im dort geltenden Klassifizierungssystems auf den Begriff ADS verzichtet. Stattdessen unterschied man drei Subtypen einer AD(H)S, später dann „Erscheinungsbilder“ genannt.
a) vorwiegend unaufmerksam
In diesem Typ treten hyperaktive Merkmale in den Hintergrund und unaufmerksame Aspekte, wie beispielsweise gedankliches Abdriften oder auch Schwierigkeiten in der Alltagsorganisation in den Vordergrund. Statistisch wird dieser Subtyp deutlich seltener erkannt, da er von außen weniger dominant zu beobachten ist als der vorwiegend hyperaktive Subtyp. Da sich vor allem Mädchen im vorwiegend unaufmerksamen Subtyp bewegen und ihre Zurückhaltung und Träumerei einfach als „typisch“ weibliche Attribute eingeordnet werden, werden sie im Kindesalter deutlich seltener diagnostiziert als Jungen.
b) vorwiegend hyperaktiv-impulsiv
Die Kernmerkmale der Hyperaktivität und Impulsivität wie beispielsweise körperliche Anspannung und Unruhe, erhöhter Redefluss oder eine erhöhte Reizbarkeit stehen hier im Vordergrund.
c) kombiniert
Die Merkmale der anderen beiden Subtypen treten gleichermaßen auf.
Mittlerweile wird differenzierter mit dem Begriff der Hyperaktivität umgegangen. Inzwischen ist klar, dass Hyperaktivität in unterschiedlich stark sichtbaren Ausprägungen daherkommen kann. Einige Kinder fallen durch eine extreme körperliche Unruhe auf, während sie sich bei anderen Kindern eher nach innen gerichtet in überbordenden Gedankenströmen zeigt. Auch Nägelkauen oder unauffälliges Fingerspiel können für hyperaktives Verhalten stehen, das sich, um möglichst nicht aufzufallen, leise Ventile sucht. Eine ADS-Diagnose wird dieser Bandbreite oft nicht gerecht und übersieht eventuell das Gesamtbild eines Kindes.
In der aktuell geltenden ICD-10 ist es allerdings noch möglich eine ADS zu diagnostizieren („Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität mit Beginn in der Kindheit und Jugend“, F98.80). In der überarbeiteten Richtlinie ist aber eine deutliche Angleichung an den deutlich fortgeschritteneren amerikanischen Forschungsstand erkennbar.
Allgemeine Merkmale und häufige Verhaltensweisen:
Die folgenden Merkmale betreffen jetzt auch den außerschulischen Bereich. Das zu wissen, kann vor allem in der Elternberatung und im gegenseitigen Verständnis von Eltern und Lehrkräften hilfreich sein.
- stetige motorische Unruhe und Anspannung, die aber unterschiedlich stark von außen beobachtbar ist
- Ableitungshandlungen wie Nägelkauen oder das Erzeugen von Geräuschen
- Vermeidungsversuche von Routineaufgaben (Zähneputzen, Anziehen etc.)
- Ein- und Durchschlafprobleme
- einseitiges oder eingeschränktes Essverhalten
- wenig Ruhe für gemeinsame Mahlzeiten am Tisch
- Unterstützungsbedarf im Bereich der Feinmotorik (Brot schmieren, Schleifen binden, sich anziehen)
- vermehrte Ungeduld und weniger Toleranz für „Leerlaufphasen“ im Alltag
- viel Begleitungsbedarf bei Übergängen
- erhöhte Konfliktbereitschaft gegenüber Eltern und Geschwisterkindern
- starkes Redebedürfnis
- erhöhte Ablenkbarkeit und starker Gedankenfluss
- verstärktes Konzentrationsvermögen bei Interesse
- erhöhte Reizbarkeit und weniger Impulskontrolle
- abrupte und heftige Gefühlsausbrüche (z.B. starke Wutanfälle)
- schneller Interessenwechsel
- impulsive Zuneigungsbekundungen (z.B. anspringen, einklammern)
- geringeres Spüren eigener Bedürfnisse und Gemütszustände bei gleichzeitig sehr sensiblem Wahrnehmen der Umwelt
- Beeinträchtigung/Überlastung des Arbeitsgedächtnis → Verarbeitungs- und Merkschwierigkeiten selbst bei direkten Aufträgen („Hol bitte ein Buch aus dem Regal“)
- erhöhtes Verletzungsrisiko durch Unaufmerksamkeit
